RCS-Messtechnik

Der Radarquerschnitt (Abk. RCS, „Radar Cross Section“) eines Objekts gibt an, wie stark elektromagnetische Wellen von diesem reflektiert werden. Damit beschreibt der Radarquerschnitt anschaulich die „Sichtbarkeit“ des Objekts für Radaranlagen. Neben den Kenngrößen eines Radargerätes hat der RCS des beobachteten Radarziels damit einen signifikanten Einfluss darauf, ab welcher Distanz das Radargerät das Objekt eindeutig detektieren kann.

Durch Veränderung der Gestalt und Oberfläche des Ziels kann jedoch dessen Radarquerschnitt – je nach Anforderung – vermindert oder vergrößert werden. Auf diese Weise können beispielsweise Flugzeuge und Schiffe mit „Stealth“-Eigenschaften entworfen werden, um deren Detektion mittels Radar zu verhindern. Jedoch auch der Entwurf von Reflektoren mit besonders hohem Radarquerschnitt wird so ermöglicht.

Zur Bestimmung und Evaluierung des Radarquerschnittes von Radarzielen werden RCS-Messanlagen eingesetzt. Meist kommen hierbei entweder Freifeldmessanlagen, Fernfeldmesskammern oder Compact Ranges zum Einsatz. Die Anforderungen an solche Anlagen sind vielfältig, zu diesen gehören beispielsweise:

  • Eine geeignete Auslegung der Messkammer, um am Radarziel eine ebene Welle garantieren zu können
  • Eine geeignete Halterung für das Radarziel, die mechanisch stabil ist, aber selber einen möglichst geringen RCS besitzt
  • Ein großer dynamischer Bereich des Messempfängers
  • Präzise gefertigte Kalibrierstandards
  • Eine umfangreiche Nachverarbeitung der Messdaten
  • Geschultes Personal

Tätigkeiten am IHF

Das Institut für Hochfrequenztechnik besitzt eine RCS-Messanlage, die die o.g. Anforderungen erfüllt und mit der jederzeit der Radarquerschnitt von Objekten bis 100 kg zwischen 2 GHz und 24 GHz vollpolarimetrisch vermessen werden kann. Verschiedene Kooperationen mit Messtechnikherstellern versetzen uns in die Lage, bei Bedarf Frequenzen bis zu 95 GHz abdecken zu können. 

Zusätzlich steht im Institut eine Toolchain zur Verfügung, die zur Optimierung des RCS von beliebigen Radarzielen eingesetzt werden kann. Dazu gehören:

  • Entwurf der erforderlichen Geometrie
  • Simulation mit geeigneten Simulationstools (MoM, Raytracing)
  • Aufbau der Geometrie in der institutseigenen Werkstatt
  • Vermessung in der RCS-Messanlage
  • Auswertung der Messdaten
  • Erstellung eines Messprotokolls
  • Bereitstellung aller zu einer Zertifizierung notwendigen Daten (falls erforderlich)

Referenzen

Peters+Bey Entwicklung eines Marinereflektors unter Berücksichtigung der ISO-Norm 8729-1:2010(E) für Peters+Bey. Die Reflektorgeometrie wurde entworfen, simuliert, aufgebaut, vermessen, zertifiziert und anschließend zur Patentierung angemeldet. Es handelte sich zeitweise um den einzigen für o.g. Norm zugelassenen passiven Winkelreflektor.
Continental Vermessung und Charakterisierung eines zur Kalibrierung eingesetzten Referenztargets bei 77 GHz für Continental, Division Chassis and Safety. Der Messaufbau wurde mit Equipment von Anritsu realisiert.

Radarbildgebung

Seit der Erfindung des Pulsradars ist es möglich, den Abstand von Objekten, die entlang der Ausbreitungsrichtung des Pulses liegen, zu detektieren. Wird das Radargerät nun zusätzlich entlang einer zur Ausbreitungsrichtung orthogonalen Achse bewegt, so kann eine Szenerie zweidimensional erfasst werden. Da die Auflösung solcher Radarbilder jedoch von der Größe der Fläche abhängt, die von der Radarantenne beleuchtet wird, besitzen diese Aufnahmen meist eine geringe Auflösung. Erst durch Nachverarbeitung mit in der Radartechnik üblichen Fokussierungsalgorithmen kann die Auflösung solcher Bilder signifikant erhöht werden. Derartige Algorithmen werden sowohl in flugzeug- und satellitengetragenen Radarsystemen zur Fernerkundung als auch in Messlaboren zur Streuzentrenuntersuchung von Radarzielen eingesetzt.

Tätigkeiten am IHF

Neben der reinen Messung und Aufbereitung von RCS-Messdaten werden am Institut Bildgebungsverfahren eingesetzt, um die Streuquellen von Radarzielen visualisieren zu können. Dazu können Radarziele vollpolarimetrisch vermessen und die Radarbilder der einzelnen Polarisationskomponenten hinsichtlich der auftretenden Streumechanismen untersucht werden.

Neben dem Compact Range des IHF steht zusätzlich eine planare Nahfeldmesskammer zur Verfügung, in der Algorithmen zur Radarbildprozessierung im Nahfeld getestet werden können.

Darüber hinaus werden polarimetrische Verfahren untersucht, die eine Analyse der im Radarziel auftretenden Streumechanismen ermöglichen.

Ergänzt werden die Forschungstätigkeiten des IHF in diesem Bereich durch laufende studentische Arbeiten.

IHF-Boat

Um die Fähigkeiten neuer Methoden aus dem Bereich der RCS-Messtechnik sowie die Performanz von bildgebenden Verfahren unter Beweis stellen zu können, werden Radarziele benötigt, die als Vergleichsstandard einsetzbar sind. Insbesondere erweist sich ein solches Referenzobjekt dann als hilfreich, wenn über die genannten Punkte hinaus allein aufgrund der äußeren Gestalt ein Anwendungsbezug hergestellt werden kann. Daher wurde unter Berücksichtigung eines zuvor aufgestellten Anforderungskataloges ein Radarziel entwickelt, welches die Form eines Schiffes besitzt. Durch Messungen des RCS sowie mit bildgebenden Verfahren konnte nachgewiesen werden, dass das Radarziel die gewünschten Eigenschaften aufweist.

Die Dokumentation des Projekts wurde vollständig unter Creative Commons veröffentlicht, um den Nachbau des Radarziels zu ermöglichen und somit jedermann dessen Nutzung zu erleichtern. Weitere Informationen sowie alle technischen Zeichnungen sind unter dieser Adresse verfügbar.

Polarimetrische Radarbildgebung

Nicht nur die Position einer Streuquelle in einem Radarbild ist für die Analyse eines Radarziels von Interesse, sondern auch der physikalische Streumechanismus, der an dieser Stelle auftritt. So sind z.B. drahtartige Strukturen stark frequenzabhängig und erzeugen Reflektionen entlang eines großen Winkelbereiches. Bei flachen oder leicht gebogenen Oberflächen sind solche Effekte nicht zu beobachten. Daher müssen - je nach Zielvorgabe - diese Strukturen während des Designprozesses unterschiedlich behandelt werden. Für die Identifikation solcher Mechanismen eignen sich polarimetrische Zerlegungsverfahren. Am Institut für Hochfrequenztechnik werden solche Verfahren entwickelt und untersucht.